Was Psychologie und Konstruktiver Journalismus miteinander zu tun haben / Interview

10. März 2016
10. März 2016

Die Dänin Cathrine Gyldensted gehört zu den Pionieren im internationalen Diskurs zum Konstruktiven Journalismus. Sie war die erste, die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie auf den Journalismus übertragen hat.

Nachdem sie selbst viele Jahre als investigative Journalistin um die Welt reiste – immer auf der Suche nach dem nächsten Skandal, den sie aufdecken wollte – erlebte sie 2008 einen »Aha«-Moment, der ihr Leben veränderte.

Wie so viele war sie in die USA gereist, um über die Opfer des Kollapses in der Finanzbranche zu berichten. Im Gespräch mit den Menschen, die ihr Hab und Gut verloren hatten und auf der Straße lebten, machte sie eine wichtige Beobachtung: Als sie begann, die Menschen nicht darüber zu befragen, wie schlecht es ihnen ergangen ist, sondern danach wer und was ihnen geholfen hatte, wurden die Antworten ausführlicher und leidenschaftlicher.

Nach 9 Jahren als investigative Journalistin zurück in den Hörsaal

Mit leuchtenden Augen berichteten die »Opfer« über Stärke, Kraft und Mut. Sie konnte ihren Herausgeber davon überzeugen, eine »andere Geschichte« über die Finanzkrise zu veröffentlichen. Eine, die auch die Frage stellt: Wie kann es weitergehen?

Cathrine ging nochmals an die Universität und studierte Positive Psychologie an der University of Pennsylvania unter Professor Martin Seligman, einem der Begründer dieser noch relativ jungen Disziplin der Psychologie. Die Idee: sich auf Wohlergehen und Gesundheit fokussieren, statt auf Leiden und Krankheit. Parallel arbeitete sie weiter als Korrespondentin.

Mittlerweile hat Cathrine Journalisten auf der ganzen Welt zum Thema Konstruktiver Journalismus geschult. Seit Mitte Dezember letzten Jahres besetzt sie den Lehrstuhl für Konstruktiven Journalismus an der Hochschule Windesheim in den Niederlanden.

Zukunftsorientiert, verständlich, werbefrei. Dafür stehen wir. Mit Wohlfühl-Nachrichten hat das nichts zu tun. Wir sind davon überzeugt, dass Journalismus etwas bewegen kann, wenn er sowohl Probleme erklärt als auch positive Entwicklungen und Möglichkeiten vorstellt. Wir lösen Probleme besser, wenn wir umfassend informiert und positiv gestimmt sind – und das funktioniert auch in den Medien. Studien haben gezeigt, dass Texte, die verschiedene Lösungen diskutieren, zu mehr Interesse führen, positive Emotionen erzeugen und eine erhöhte Handlungsbereitschaft generieren können. Das ist die Idee unseres Konstruktiven Journalismus.

Cathrine begleitet Perspective Daily seit der ersten Stunde und ist wichtiger Teil unseres neuen Mediums. Wir haben ihr 4 Fragen gestellt:

Cathrine, kannst du uns 2, 3 Beispiele für guten konstruktiven Journalismus geben?
Cathrine Gyldensted: Gerne! Der Economist, einfach aufgrund seiner allgemeinen Vision. Da wäre zum Beispiel der Artikel »How to manage the migrant crisis«. Der Korrespondent für Fortschritt vom niederländischen De Correspondent schreibt häufig Beiträge mit gesellschaftlich relevanten, konstruktiven Elementen, so wie in »Waarom vuilnismannen meer verdienen dan bankiers« (»Warum Müllmänner mehr verdienen als Banker«). Und dann noch die BBC World – My Perfect Country. Zukunftsorientiert und lösungsfokussiert.
Du gibst zahlreiche Workshops für Journalisten in vielen verschiedenen Ländern. Was interessiert die Teilnehmer dabei am meisten?
Cathrine Gyldensted: Wie man ein guter Journalist bleibt, wenn man Konstruktiven Journalismus betreibt. Sie wollen die Methoden lernen und sichergehen, dass sie keine oberflächliche Arbeit machen.
Wenn du Journalisten nach der Begründung für ihre Berufswahl fragst, welche Antworten begegnen dir dabei am meisten?
Cathrine Gyldensted: Die Werte, die am häufigsten genannt werden, sind: Machtinhaber zur Verantwortung ziehen, die Welt akkurat abbilden und neugierig sein. Konstruktive Elemente im Journalismus stärken alle diese Aspekte.
Wo siehst du die größten Herausforderungen für die Medien als solche in den nächsten paar Jahren?
Cathrine Gyldensted: Die größte Herausforderung ist der fehlende Wille, sich zu verändern und zu experimentieren, sodass sich Journalismus intelligent und mit der nötigen Geschwindigkeit verändern kann. Wenn die alten Medien überleben wollen, müssen sie sich schneller anpassen und innovativer sein, als dies aktuell passiert. Nicht, um Journalismus zu schwächen, sondern um seine Relevanz und seine Wirkung für die Menschen zu stärken, für die wir unsere Arbeit machen.

Das Interview führte unsere Gründerin Maren Urner.

Titelbild: Marie Hald - copyright

 

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